Das "blaue Zelt"

Mit einigen Jahren Verspätung seit seiner Entstehung stelle ich hier wieder einmal eines meiner Zelte vor. Das Zelt hat mittlerweile einige Touren hinter sich, und so gibt es  auch schon einige Praxiserfahrungen zum weitergeben.

Nach der Winterkuppel, ein bunkerähnliches Zelt für extremes Wetter bei tiefen Temperaturen, stand als nächstes ein ultraleichtes, freistehendes Zelt auf dem Programm. Ich hatte noch etwas von dem blauen Spinnakernylon übrig, außerdem hatte ich auf Ebay zwei Alugestängebögen für einen Zehner geschossen. Etwas billiger Stoff aus dem Stoffladen wurde als Boden verwendet. Mit der Zeltformel wurde das Schnittmuster für die Stoffpanele ermittelt. Für schmales Geld entstand so das "blaue Zelt".


Die Abmessungen betragen  205 cm x 115 cm x 90 cm. Viel Platz ist also nicht, trotzdem passen zwei Personen gerade so rein und selbst ich mit meinen 1,87 m Körpergröße habe gerade noch so Sitzhöhe. Wer Sicherheitsabstand zum Zeltstoff sucht, wird ihn nicht finden, viel Gepäck darf man auch nicht dabei haben, aber um mal eben auf einer Steinplatte im Hochgebirge zu biwakieren, oder sich bei einer Übernachtung in der Negev keine Sorgen über Skorpione machen zu müssen, gibt es nichts Simpleres. Zelt auspacken, beide Stangen in die Ecken stellen, die Stangen innen mit fünf Klettbändern fixieren und fertig.

Das Gestänge wiegt 400 gr. Der Zeltstoff wiegt  ca. 630 gr. Somit wiegt die Laube mit sechs Heringen und Gebimsel insgesamt gut ein Kilo.

Heutzutage kommt man sehr viel leichter an gute, leichte Stoffe und sonstige Materialien ran. Damit kann man das Gesamtgewicht sicherlich auf deutlich unter einem Kilo drücken.


Das Zelt kommt recht minimalistisch daher. Ein parabelförmiger Eingang ohne Apsis, zwei große Belüftungsöffnungen mit Abspannpunkten seitlich unten und zwei kleine Tütenlüfter oben. Wie bei einwandigen Zelten üblich, ist aber trotz der Lüfter mit etwas Kondens zu rechnen. Zusätzlich gibt es noch vier Sturmabspannungen, in jeder Ecke eine.

Die halbrunden, dunklen Areale bestehen aus Moskitonetz. der Außenstoff ist in diesem Bereich nicht am Boden festgenäht und kann nach außen abgespannt werden. So bekommt man bodennah eine sehr große Belüftungsfläche hin. Heutzutage würde ich das Moskitonetz über die gesamte Längsseite ausweiten, auf einer Höhe von ca 30 cm.

Die hellen Flecken auf dem Boden entstanden durch eine sich ablösende Beschichtung. Es lohnt sich also nicht beim Material zu sparen, hinterher bereut man es. Leider konnte man sich bei den Materialien aus den Stoffläden nie wirklich sicher sein, welche Beschichtung da drauf ist, da dies die Verkäufer oft selbst nicht wußten.

Für Zeltböden eignen sich IMHO PU- beschichtete Kunstfaserstoffe am besten. Silikonbeschichtete Stoffe sind zwar etwas leichter, dafür aber zu rutschig um vernünftig als Zeltboden zu funktionieren. Ist der Boden abschüssig, dann rutscht man unweigerlich über Nacht immer in die am tiefsten gelegene Zeltecke.

Der Eingang entspricht einem 3er Reißverschluß. Wasserdichte Reißverschlüsse waren damals (also vor ca. 15 Jahren) für Normalbürger nicht zu bekommen. Deshalb habe ich den Reißverschluß mit Pattex transparent selbst abgedichtet. An beidseitig bedienbare Reißverschlußzipper kam man damals übrigens auch nicht ran, deshalb ist hier der Zipper nach innen gedreht eingebaut. Rauszukommen ist bei einem Zelt wichtiger als reinzukommen.

Die Tütenlüfter sind zwar schön low tech, bringen aber nicht viel Luftdurchsatz. Sie können easy von innen bedient werden. Wer Angst hat, dass sich der Lüfter nach innen stülpt, der kann ihn in geschlossenem Zustand mit einem kleinen Stein beschweren. So bleibt die Öffnung schön nach unten hängen. Trotzdem würde ich heutzutage eher konventionelle Lüfter mit "Dach" einbauen die man z. B. mit einem kleinen Stab aufstellen kann.
Bei allen Bogenzelten ist das Gestänge prinzipbedingt nicht sehr biegefest. Es kann deshalb vom Wind sehr leicht zu Boden gedrückt werden. Es ist deshalb sinnvoll am Gestänge Sturmabspannpunkte anzubringen, die das Gestänge stützen. Diese müssen überraschend weit unten, am besten im unteren Drittel angebracht werden.

Abspannpunkte in der Stofffläche sind - da sie nicht am Gestänge angreifen - was die Gesamtstabilität des Zeltes angehen, praktisch wirkungslos. Im Gegenteil: Wenn diese Abspannpunkte nicht ordentlich verstärkt sind, dann kann dort der Zeltstoff überlastet werden und einreißen.

Hier ist einer der vier Sturmabspannpunkte zu sehen. Sie befinden sich jeweils genau auf einer der Ecknähte und wurden zusätzlich noch mit einem runden Stück Stoff unterfüttert.
Hier sieht man die Innenseite der Abspannpunkte. Ein kleiner Klettverschluß fixiert den Gestängebogen bombenfest am Abspannpunkt und sorgt zusätzlich noch dafür, dass der Gestängebogen nicht seitlich verrutscht. Der fünfte Klettverschluß befindet sich in der Zeltspitze und fixiert dort beide Zeltstangen.

Wichtig ist, daß die sich kreuzenden Ecknähte in der Kuppel, an denen später die Zeltstangen zu liegen kommen, nicht zu lang sind. Die Stangen sollen da stramm reinpassen. Man sollte also, bevor man den Boden annäht, genau checken das die Länge stimmt.

Die Enden der Zeltstangen werden beim Aufbau einfach in die Zeltecken gestellt. Dort ist mittlerweile extrastabiler Cordura- Rucksackstoff eingeklebt. Dieser ist bei dieser hochbelasteten Stelle auch notwendig. In der ersten Version war da ein deutlich schwächeres Gewebe, welches dann von der Stange auch ruckizucki durchstoßen war.


Fazit:
Das "blaue Zelt", wie es in unserer Familie genannt wird, war ein treuer Begleiter auf so mancher Reise und Tour. Für eine Mehrtageswanderung in Schietwetterregionen ist es bestimmt nicht die erste Wahl, dafür fehlt die Apside und auch sonst ein irgendwie gearteter Komfort. Für Reisen in Regionen mit gutem Wetter, z. B. Süd-/ Mitteleuropa, Israel, Alpenbiwaks im Sommer, Übernachtung bei Freunden im Garten, bei denen der Focus aber eben nicht auf "Zelten" lag, hat es uns sehr gute Dienste erwiesen. Klein verpackt und nicht zu schwer, ist es ein "Haus zum immer dabeihaben". Einige klassische Rucksackreisen mit kompletter Campingausrüstung im Handgepäck waren so möglich. Auch wenn eine selbsttragende Konstruktion überhaupt nicht zwingend erforderlich für ein Zelt ist, so ist es schon nett wenn man sein Zelt einfach überall hingestellt bekommt ohne sich um einen, für Heringe geeigneten, Untergrund kümmern zu müssen. Das Zelt ist überall, ohne Hetze, in zwei Minuten aufgebaut.

Das Zelt würde ich heutzutage aus Silnylon für den Zeltstoff, PU- beschichteter Kunstfaser oder Spinnakernylon für den Boden und ordentlichem, leichterem Gestänge in fast den gleichen Abmessungen nochmal nähen. Vielleicht würde ich das Zelt 5- 10 cm breiter machen (das Alter ;-)).
Die Lüfter würde ich wie oben gesagt noch etwas aufbohren. Trotzdem sollte es mit den moderneren Materialien etwas leichter werden.

Das "blaue Zelt" ist zu Recht eines unserer meistgenutzten Zelte der letzten Jahre gewesen.


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